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Abstand zur Spitze kleiner geworden
Basketballer des TTL trotzen vielen Schwierigkeiten

Worte allein reichen Ken Scalabroni nicht, obwohl sich der US-Amerikaner mit dem italienisch klingenden Namen in Deutsch nahe­zu fehlerfrei ausdrücken kann. Die dunklen Augen und unsteten Hände des 38jährigen fordern Papier und Schreibzeug. In schnellen Strichen skizziert Scalabroni eine taktische Maßnahme aus dem Halbfinale ge­gen Alba Berlin, kommentiert sie leidenschaftlich. Auch Tage nach der letzten Begegnung, das wird ganz deutlich, hat der Coach des TTL Bamberg die Saison 1994/95 noch nicht abgehakt. Zum sechsten Mal hintereinander, erstmals mit Scalabroni für den zuvor seit 1988 ununterbrochen tätigen Terry Schofield als Coach, haben die Bamber­ger das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft erreicht und damit das geschafft, was sie sich vor Run­denbeginn vorgenommen hatten. Wäre mehr drin gewesen ? „Da bin ich mir sicher", so der Coach. „Und wenn man die Spieler von Nr. 1 bis Nr. 10 fragt, sehen sie das genauso."

Fast gleichwertig 

Wie im Vorjahr ist die Nr. 1 des süddeutschen Basket- balls ohne Sieg in der Vorschlußrunde ausgeschieden. Dennoch beurteilt Manager Hans Herbst die Serie gegen Alba Berlin anders als die vor Jahresfrist gegen Brandt Hagen. "Unser Gegner war diesmal von ganz anderem Kaliber, dennoch waren wir fast gleichwertig und hatten in jedem Spiel eine reelle Siegchance." Da Berlin als Korac-Cup-Sieger neben Leverkusen als deutsche Spitze gelten muß, scheint es, als sei der Abstand bis dahin kleiner geworden. Dies nach einer Saison, die mit einer herben Enttäuschung begann, einer Niederlage beim Aufsteiger SV Oberelchingen, und von vielen weiteren Rückschlägen begleitet war. "Es lagen viele Steine in unserem Weg", antwortete Scalabroni auf die Frage, was ihm im Rückblick auf das Spieljahr als erstes einfalle. "Auf Grund zahlreicher Verletzungen war bei unserem von vorneherein knapp kalkulierten Kader eine Kontinuität im Spiel und im Training oft nicht möglich. Dazu kam auch noch das unglückliche Ausscheiden von Terry Schofield " Der langjährige TTLCoach war am 17. Dezember während der Partie beim SSV Ulm bewußtlos zusammengebrochen und hat seitdem auch kein Spiel seines langjährigen Teams mehr gesehen, weder in der Halle noch live im Fernsehen. Auf ärztlichen Rat soll ich Abstand vom Basketball gewinnen", so der 46jährige Kalifornier. "Ich habe zwar seit Anfang März wieder las eine oder andere Zweitligaspiel in Göttingen oder Braunschweig besucht, aber da ist die emotionale Beastung bei weitem nicht so hoch, wie sie auf Grund der Identifikation beim TTL wäre." Anfang April hat Schofield seine Tätigkeit als Lektor für Englisch an der Universität Göttingen wieder aufgenommen, von der er seit 1988, als er nach Bamberg kam, beurlaubt war. "Wenn man all die Schwierigkeiten sieht und bedenkt, daß wir, als wir einmal Mitte der Saison gegen Ludwigsburg spielten, nur zwei Punkte von einem Platz in der Abstiegsrunde entfernt waren, möchte ich schon deutlich sagen, daß wir uns als Mannschaft enorm weiterentwickelt haben und hier hervorragende, zielstrebige Arbeit geleistet worden ist", betonte Herbst. Durch einen 75:65-Erfolg gegen Brandt Hagen sicherte sich der TTL mit 42:22 Punkten und einem Korbverhältnis von 2792:2514 im letzten Spiel der Hauptrunde zum dritten Mal in Folge die Süd-Meisterschaft. Das, obwohl Kai Nürnberger wegen diverser Verletzungen bis zum Jahreswechsel nur ganz sporadisch eingesetzt werden konnte, obwohl mit Mike Jackel (Nasenbeinbruch) der erfolgreichste TTL-Korbjäger genauso zeitweise ausfiel wie Bruno Roschnafsky (Handbruch) und Volkmar Zapf (Daumenbruch und zu Saisonende Meniskusverletzung). Von 19 Begegnungen unter Ken Scalabroni, bis zu Schofields Krankheit dessen Assistent, gewannen die Bamberger 13. Der Abstand zur Spitze ist also kleiner geworden - wo ist er aber trotzdem noch spürbar? "Leverkusen und Berlin haben sich während der gesamten Saison daran gewöhnt, daß sie im europäischen Wettbewerb mindestens einmal in der Woche voll gefordert wurden", so Scalabroni. Da haben sie sich viel Wettkampfhärte geholt. Spiele solcher Intensität hatten wir in der Bundesliga kaum." Und so ist es, wie auch Manager Hans Herbst versicherte, nicht nur Pflicht (ab der kommenden Saison muß jeder Verein, der dafür qualifiziert ist, am europäischen Wettbewerb teilnehmen), sondern auch der Wunsch des TTL Bamberg, sich im Korac-Cup der Konkurrenz aus dem Ausland zu stellen. Dies hatten die Bamberger in vergangenen Jahren, meist aus finanziellen Gründen, nicht immer getan. "Wenn wir weiterkommen wollen, muß der Korac-Cup finanzierbar sein", stellte Herbst zu diesem Thema fest. Anders als im Europapokal der Fußballer, in dem die Vereine viel Geld verdienen, bleibt für die Basketballer in Deutschland der internationale Wettbewerb ein Zuschuß-Geschäft. 

Erneut mehr Zuschauer
Die Kosten dafür müssen also in den Etat für die Runde 1995/96 eingearbeitet werden. Noch liege die Bilanz für die eben abgelaufene Saison nicht vor, aber nach rund 1,4 Millionen Mark im Vorjahr bewegt sich der Etat nach Schätzungen von Herbst etwa in der Größenordnung von. 1,7 Millionen. "Wir von Management-Seite versuchen natürlich alles, unseren finanziellen Spielraum weiter zu vergrößern, hauptsächlich dadurch, daß wir neue Sponsoren gewinnen", erklärte der Manager. Was Zuschauer- Einnahmen betrifft, ist eine Steigerung nur schwermöglich. Rund 1700 Anhänger hatten im Durchschnitt im Spieljahr 1993/94 den TTL bei seinen Heimspielen unterstützt, diese Zahl sei, so Herbst, nochmals gesteigert worden. Etwa 1800 Fans kamen im Durchschnitt, in der Saison Endphase platzte die gut 2000 Leute fassende' Stauffenberg-Halle regelmäßig aus allen Nähten. Über 1000 Dauerkarten hatte der TTL Bamberg verkauft - auch ein Rekord. Die vielen "Stammgäste" in der Stauffenberg-Halle werden zahlreiche bekannte Gesichter Wiedersehen. Coach Scalabroni hat, wie berichtet, einen Vertrag, der auch für die kommende Saison gilt. Herbst: "Von unserer Seite aus besteht großes Interesse, mit Ken Scalabroni langfristig zusammen- zuarbeiten." Auch die Spieler Mike Jackel, Sylvester Kincheon, Jens-Uwe Gordon, Gray und Bruno Roschnafsky stehen beim TTL weiterhin unter Vertrag. Kai Nürnberger hat, wie gemeldet, in der letzten Woche seine Zusage für weitere vier Jahre bei den Oberfranken gegeben. Fest steht, daß Volkmar Zapf den Verein verlassen wird. Der 24jährige Student wechselt nach Breitengüßbach in die II. Liga. Ob der während der Saison gekommene Doug Logischer und Center Robert Reisenbüchler (seit 1992 beim TTL) in Bamberg bleiben werden, sei, so erklärten Herbst und Scalabroni übereinstimmend, noch offen. Vorerst nicht zum TTL Bamberg zurückkehren wird Henrik Gese. Das Bamberger Nachwuchstalent ist seit einem Jahr nach Landshut ausgeliehen und mit der TG in die Bundesliga aufgestiegen. Der Manager: "Wir sind nach wie vor sehr interessiert daran, daß Henrik wieder zu uns kommt. Aber wir haben mit ihm gesprochen und uns darauf verständigt, daß er zunächst weiter in Landshut spielen und Erfahrung sammeln soll." Um Ausfälle besser wegstecken zu können, sowohl im Spiel als auch im Training, möchte Coach Scalabroni mit einem Zwölf-Mann-Kader in die voraus- sichtlich am 6. September im Korac-Cup beginnende Saison 1995/96 gehen. Dabei will er auch Talente aus dem eigenen Nachwuchs, "die eine Perspektive bieten", an die I. Liga heranführen. Möglich, daß dann der 2,16 m lange Center Jürgen Malbeck, der aus Nördlingen stammt, dazugehört. Er steht beim TTL unter Vertrag und besucht derzeit ein College auf Hawaii. Der 21jährige kommt im Mai wieder nach Bamberg. Ziemlich sicher ist, daß Jens-Uwe Gordon zukünftig als Deutscher für den TTL spielen wird. Der 27jährige 2,06-m-Mann, Sohn einer deutschen Mutter und eines US-amerikanischen Vaters, werde, so Hans Herbst, noch im April die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen. Damit wird ein Ausländerplatz frei. Wenngleich Scalabroni erklärte, er könne noch nicht endgültig sagen, für welche Position ein Ausländer verpflichtet werden soll, spricht einiges dafür, daß es ein Center sein wird. Schon vor Play-offBeginn hatte Manager Hans Herbst erklärt, daß dem TTL im Vergleich zu Alba Berlin und mehr noch Bayer Leverkusen ein guter Mann von der Länge eines Gunther Behnke (2,21 m) oder Sascha Hupmann (2,16 m) fehle. Und die sind in Deutschland kaum zu bekommen, weil dünn gesät und somit nicht zu bezahlen.

Einteilige Bundesliga
Den Vergleich mit den Spitzenteams suchen die Bamberger auch in der nächsten Saison, und dann wird er, zumindest was die Tabellensituation betrifft, auch für Nicht-Experten auf dem ersten Blick möglich sei. Nach fünf Jahren Zweiteilung in Nord- und Südgruppe wird es wieder eine einteilige Bundesliga (Start 15. September) geben, aufgestockt auf 14 Vereine, die in einer einfachen Runde mit Hin- und Rückspielen die Play-off-Teilnehmer (wie bisher acht) ermitteln. In der Punkterunde stehen, um mehr Raum für internationale Termine zu lassen, statt bisher 32 nur noch 26 Begegnungen an. Da alle Bundesliga-Teams dann wieder gleich oft gegen die gleichen Gegner spielen, ist der Maßstab für alle derselbe. "Die Erwartungen an uns sind immer hoch, das ist auch gut so, und dem stellen wir uns", antwortete Ken Scalabroni auf die Frage nach der Perspektive für das kommende Spieljahr. Im Juli soll die "heiße Phase" der Saisonvorbereitung beginnen. In allen Bereichen, vor allem in der Verteidigung ("hier wollen wir einige taktische Varianten erarbeiten, die uns in diesem Jahr gefehlt haben") sieht der Coach noch Steigerungs- möglichkeiten, Ansätze, die letzten mühsamen Schritte bis ganz an die Spitze vorzubereiten. "Wir können nicht damit zufrieden sein, immer im Halbfinale auszuscheiden", erklärte Hans Herbst. "Es ist schon so, daß Stillstand letztlich Rückschritt bedeutet."

Quelle: Fränkischer Tag 15.04.1995

Alle Bundesligaspiele des TTL Bamberg

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Gegner Ergebnis Auswärts-/ Heimspiel
1 SV Oberelchingen 93:95 Auswärtsspiel
2 Steiner Bayreuth 115:88 Heimspiel
3 SSV Ulm 87:80 Heimspiel
4 BG Ludwigsburg 94:78 Auswärtsspiel
5 TUS Bramsche 81:88 Heimspiel
6 Alba Berlin 75:80 Auswärtsspiel
7 TVG Trier 99:70 Heimspiel
8 SV Oberelchingen 91:86 Heimspiel
9 Paderborn 90:79 Auswärtsspiel
10 MTV Gießen 69:70 Heimspiel
11 Steiner Bayreuth 71:76 Auswärtsspiel
12 TVG Trier 106:76 Auswärtsspiel
13 SSV Ulm 84:91 Auswärtsspiel
14 Bayer Leverkusen 86:75 Heimspiel
15 Brandt Hagen 64:76 Auswärtsspiel
16 SV Oberelchingen 92:93 Heimspiel
17 BG Ludwigsburg 90:75 Heimspiel
18 Steiner Bayreuth 91:61 Auswärtsspiel
19 SSV Ulm 79:93 Auswärtsspiel
20 BG Ludwigsburg 91:69 Heimspiel
21 TUS Bramsche 112:90 Auswärtsspiel
22 Alba Berlin 78:72 Heimspiel
23 TVG Trier 100:84 Auswärtsspiel
24 SV Oberelchingen 69:60 Auswärtsspiel
25 Paderborn 102:80 Heimspiel
26 MTV Gießen 68:72 Auswärtsspiel
27 Steiner Bayreuth 76:72 Heimspiel
28 TVG Trier 101:73 Heimspiel
29 BG Ludwigsburg 104:75 Auswärtsspiel
30 SSV Ulm 95:85 Heimspiel
31 Bayer Leverkusen 65:86 Auswärtsspiel
32 Brandt Hagen 75:65 Heimspiel
33 MTV Gießen 85:71 Heimspiel
34 MTV Gießen 72:90 Auswärtsspiel
35 MTV Gießen 93:71 Heimspiel
36 Alba Berlin 73:88 Auswärtsspiel
37 Alba Berlin 79:80 Heimspiel
38 Alba Berlin 81:84 Auswärtsspiel

 

Alle Pokalspiele des TTL Bamberg

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Gegner Ergebnis Auswärts-/ Heimspiel
1 SV Oberelchingen 121:85 Heimspiel
2 Brandt Hagen 84:72 Heimspiel
3 Bayer Leverkusen 73:82 Heimspiel

 

Tabelle 1.Bundesliga-Süd

1. TTL Bamberg 42:22
2. SSV Ulm 40:24
3. Steiner Bayreuth 36:28
4. SV Oberelchingen 32:32
5. BG 07 Ludwigsburg 20:44
6. TVG Trier 6:58

Korbjäger TTL Bamberg

1. Mike JACKEL 17,65
2. Keith GRAY 16,19
3. Sylvester KINCHEON 13,74
4. Patrick KING 13,22
5. Jens-Uwe GORDON 13,19
6. Kai NÜRNBERGER 6,00
7. Bruno ROSCHNAFSKY 4,60
8. Robert REISENBÜCHLER 4,57
9. Doug LOESCHER 3,13
10. Volkmar ZAPF 1,91

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